L.H. Preußer
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*** Nine-Eleven ***

Amerika schweigt.
Kein "How was your day?",
Kein "How are you?".
Jedem ist ploetzlich gewahr, das diese Floskeln heute nichts zaehlen.
Was sollte der Gegenueber antworten ?
"I survived!",
"I fear!" ?.

Als ich heute morgen um 7:00 SFzeit den Fernseher angeschaltet habe sah es aus wie ein amerikanischer Aktionfilm a la "Die Hard" ohne Bruce Willis. Als erst der eine, dann der andere Tower "live" im Fernsehen einstuerzten war ich fassungslos.

Man wehrt sich dagegen sich das vorzustellen.
Das ist nicht real denkt man.
Raucht eine Kippe.

Sie zeigen es wieder.

Es ist 8:00 Uhr.
Naechste Kippe, vor dem Hotel,
warten auf Robert.
Blass, verstoert und leise begruesst man sich,
geht schweigend los.
Auf der Strasse siehst du es den Leuten an,
Der hat es schon gehoert,
Der noch nicht,
Die sieht aus als wuerde sie jemanden in New York kennen.
Aufgeloest, desorientiert, hilfesuchend.

The nation is shocked.

Um 9:00 werden bei Levis schnell kopierte Zettel verteilt: "Wer diese schweren Stunden lieber bei den Seinen verbringen moechte, wer dort Schutz geben und Trost finden will, dem ist es freigestellt den heutigen Tag mit seiner Familie zu verbringen."

Amerika geht nach Hause.
Wir bleiben.

Wir sind zu acht im Office,
4 assystler,
4 von LS&Co,
8 von 100.
Ruhig,
in sich gekehrt,
nachdenklich.
Man schaut sich nicht direkt in die Augen,
man ist zurueckhaltend und hilfsbereit.
"Moechte jemand reden?"
"Nein, danke, es ist ok so."

50.000.000 Arbeitstage,
das Wahrzeichen des Kapitalismus,
der amerikanische Traum,
das Alles und noch vielmehr,
Alles an einem morgen vernichtet.

Waehrend der 10:00 Uhr Zigarette, es waren drei, genau genommen, flog ein Flugzeug ueber die SF Bay, waehrend ich mit einem Security Mann redete. Er schaut mich fragend an. "Die Flughaefen sind seit 2 Stunden gesperrt." Hektik, Funkverkehr mit seiner Zentrale, Telefonate ueber das Flugzeug in der Bay, alle stehen unter Strom. Bereit den Rest des amerikanischen Traumes zu verteidigen.
Als er sich wieder beruhigt hat sagt er: "Wir sind ein verruecktes Volk. Wir tragen die Gewalt ueberall hin und wundern uns, wenn hier etwas passiert."
Recht hat er, der kleine dicke Wachmann mit den fauligen Zaehnen. "You get, what you pay for." meinte er noch im weggehen. Denn wenn du in Amerika fuer 7.50 $/h Sicherheit kaufst wirst du auch nur fuer 7.50 $/h beschuetzt. Egal ob du am Flughafen bist oder auf der Levis Plaza.

12:00 Mittagspause, Kantine geschlossen, ist eh keiner da. Das ganze Viertel wie ausgestorben, Heike, Gregor, Robert und ich. Sandwiches und Softdrinks im "Il Fornaio" geholt, auf den Coit Tower gelaufen. Man kommt mehr und mehr zu sich.
Jemand sagt: "Unglaublich wie ruhig es ist."
zustimmendes Schweigen.
Gedaempfte Unterhaltung, "Schoenes Wetter, schoene Aussicht, Bruecke im Nebelschleier, blablabla."
Kaum Touristen am Turm. Zeit vertroedelt, entspannt, spaet ins Buero zurueck. Der Schock laesst nach, es geht einem langsam wieder besser.

Noch 4 Stunden Arbeiten,
1-2 Zigarettenpausen im Park.
Eine Bluete von einem Baum abbrechen,
damit rumspielen,
daran riechen,
sie schoen finden
und endlich wieder einen Gedanken fassen wie an einem ganz normalen Tag.

Auf dem Weg vom Buero sind wir direkt Essen gegangen, 19:00 Uhr, viele Restaurants sind geschlossen. Gute Unterhaltung mit Robert. Wir sind heute nachdenklicher, offener, konstruktiv, mitteilungssuechtig. Sehr angenehm, an einem Tag wie diesem.

22:00 Hotelzimmer, TV on, Breaking News, G. W. Bush beruhigt seine Nation. Schwachkopf!
Kinderpsychologen geben Tipps, krasse Bilder in schneller Folge zeigen das jetzt jeder weis, was passiert ist.
"Ich war im 82 Stock-Berichte".
Commercial TV is Back.
Amerikanisch.
Reisserisch.

Vorbei die Fassungslosigkeit des Morgens,
die Sachlichkeit,
die Ruhe des Tages,
vorbei die Betroffenkeit.

Amerika wird langsam wieder laut.




L.H. Preußer
San Francisco,
11.09.2001 23:05