Nachdem der erste Tag in Shanghai noch abenteuerlich war, sind die folgenden Tage eher kurios und so lerne ich recht schnell einiges ueber China und die Chinesen.
Chinesen sind Exzentriker.
Chinesen sind Egoisten.
Chinesen sind ein unsoziales Kollektiv (Das gibt es nicht einmal bei Ameisen).
Chinesen sind unorganisiert.
Chinesen improvisieren schlecht.
Chinesen haben keine Eigeninitiative, es sei den es geht um ihr Vergnuegen.
Chinesen sind Mitmacher, keine Macher.
Chinesen denken nur an Geld.
China ist laut.
China ist dreckig.
China verliert seine Wurzeln.
China verschleudert seine Kultur.
Mein erster Tag im Buero stand natuerlich von Anfang an unter einem schlechten
Stern, da mein Computer verloren gegangen ist. Aller Arbeitsmittel beraubt,
lerne ich erst einmal die Mannschaft kennen. Um es uns, nicht Chinesen, leichter
zu machen, haben alle Chinesen einen westlichen Spitznamen, somit kann ich
mir wenigstens einige Leute merken, denen ich vorgestellt werde. Wir holen
die aktuelle Version meiner Software aus Muenchen und da Karin seit 5 Jahren
jedes Macro gesammelt hat, das sie in die Finger bekam, habe ich bald alles
zusammen was ich zum Arbeiten brauche. Ich besetze kurzerhand einen Rechner
und richte mir alles ein was ich brauche. Damit ist der Tag auch schon vorbei
und ich suche mir, nach kurzer Stippvisite im Hotel, ein Restaurant. Meine
Wahl ist ganz ausgezeichnet, auch wenn ich der einzige Gast bin. Es ist eine
wunderschoene Halle die wie eine Industriehalle aus der Gruenderzeit aussieht,
frisch renoviert, weissgetuenchter Backstein, dunkler Teakboden, koloniale
Moebel, und eine erlesene Speisekarte. Einige der Gerichte kann und will ich
aus Gruenden des Tierschutzes, des Preises und ethischer und kulinarischer
Bedenken nicht essen. Darunter sind Haifischflossen, Schwalbennester mit Kaviar,
Seegurken, Kalbspenis und Schafshoden. Trotzdem bietet die Karte genug und
ich beginne mit einem Shrimpsalat mit Orangenfilets, danach gibt es Langusten
auf frittierten Glasnudeln und gebratene Nudeln mit Huehnerbrust. Zum Dessert,
einen Auflauf aus warmer Vanille-Kokos-Creme auf geduensteten Fruechten. Sehr
lecker, und bis heute das beste was ich hier an chinesischem Essen bekommen
konnte. Wie so oft in Asien traue ich dem Wein nicht und trinke ein Tsing-Tao-Beer,
eine frischen Orangensaft und eine Kanne gruenen Tee zum Essen. 23,20 Euro
fuer lecker Essen auf hohem Niveau und ein versoenlicher Ausklang nach einem
nicht sehr erfolgreichen Arbeitstag. Am Dienstag geht es wieder voller Tatendrang
ins Buero und trotz eisiger Kaelte, draussen 6 Grad, drinnen 10 Grad, schaffe
ich es bis mittags meine Mails zu bearbeiten und einige Macros mit einer neuen
Mitarbeiterin zu uebersetzen. Durch die Uebersetzung habe ich einige chinesische
Schriftzeichen, die ich kreuz und quer in smart.pattern einsetze. Das Resultat,
die Software ist komplett kompatibel mit chinesischen Schriftzeichen. Ein
echter Erfolg. Nachmittags besuche ich mit Karin und einer chinesischen Mitarbeiterin
die Shanghaier Universitaet fuer Bekeidungstechnik und Modedesign. Wir haben
einen Termin mit Professor Zhang, einer Kapazitaet fuer Schnitttechnik. Von
ihm moechte ich etwas ueber die chinesische Art der Schnitterstellung lernen.
Die Universitaet ist noch kaelter als unser Buero und so erscheint Prof. Zhang
auch in einer gefaelschten NorthFace-Daunenjacke. Wir bewundern das tolle
Equipement seines Fachbereichs, der vom Einzellagencutter ueber die CAD-Anlage
bis hin zum Haengetransportsystem alles aufzuweisen hat, was teuer ist. Alles
erst anderthalb Jahre alt und noch immer unbenutzt. Spaeter lerne ich das
Chinesen in der Uni zwar büffeln, was man Ihnen vorlegt, sie werden aber
ausschließlich zur Reproduktion von Wissen erzogen und nicht in der
Erarbeitung eigener Loesungsansaetze ausgebildet. Trotzdem bringt Prof. Zhang
uns in einem Vortrag detailliert dar, dass Bekleidung in Europa noch ohne
feste Konstruktionsprinzipien entwickelt wird. Europaeer entwickeln Bekleidung
durch drapieren von Stoff auf der Puppe. Chinesen und insbesondere er sind
da wesentlich weiter. Sie haben feste Konstruktionsprinzipien fuer Bekleidung.
Ich spare es mir Ihn auf die verschiedenen europaeischen Konstruktionsprinzipien
hinzuweisen, da ich nicht moechte das er sein Gesicht verliert. Stattdessen
sage ich ihm, dass dies ja der Grund sei, weshalb wir seine Hilfe und Erfahrung
suchen. China sei ein Land das schon seit Jahrhunderten hochwertigste Seiden
herstellt und verarbeitet und wir moechten von diesem, seinem, Erfahrungsschatz
profitieren, um fuer seine Konstruktionsprinzipien Macros zu schreiben. Die
Diskussion geht noch einige Zeit hin und her und ich schmiere mit Honig herum,
dass es nur so bebbt. Wir einigen uns darauf, das ich einige Tage Unterricht
bei einem seiner Dozenten erhalte und wir werden 2 Seminare an seiner Uni
halten. Abends schaue ich mir zwei Kaufhaeuser an, das erste, sehr neu und
modern, alle Marken sind vertreten, aber es scheint nur aus umbautem Raum
zu bestehen. In der Mitte ein Atrium, ueber 6-8 Stockwerke, das ueber die
Haelfte der Grundflaeche einnimmt und nur vereinzelt von unlogisch angeordneten
Rolltreppen durchschnitten wird. Am Rand druecken sich die Verkaufsflaechen
an die Wand und werden durch breite Gaenge noch weiter begrenzt. Weit und
grosszuegig, aber voellig verplant. Das zweite Kaufhaus ist eher vom alten
chinesischen Schlag. Hier gibt es nur Handys, MP3-Player und Digicams. Das
ganze ist so gedraengt, das hier nahezu 100% des umbauten Raumes genutzt werden.
Tolles Angebot, chinesische Goldgraeberstimmung und gute Preise. Nebenan gibt
es eine riesige, preiswerte Fressmeile, mit hunderten von Staenden im Untergeschoss
eines Kaufhauses. Fuer 2,20 Euro bekomme ich Suppe, Reis mit Rind und Paprika
und Tee. Alles sehr originaer und von netten chinesischen Muslimen serviert,
die sich bei einem -Salam Aleikum- zur Begruessung regelrecht ueberschlagen
vor Freude. Am Mittwoch mache ich weiter mit der Uebersetzung der Macros und
plane nebenbei meinen Trip zu TopForm in HongKong. Um halb Elf kommt der lang
ersehnte Anruf vom Flughafen, mein Gepäck sei da. Auf British Airways
ist verlass, nur 5 Tage nach mir erreicht auch mein Gepaeck Shanghai. Ich
breche sofort auf zum Flughafen, da ich einen Teil des Gepaecks mit CarnetTIR
einfuehre und somit persoenlich erscheinen muss. Also gut, mit dem Taxi ins
Hotel, Pass, Stadtfuehrer und Carnet holen. Dann mit dem Taxi zur U-Bahn Station
und mit der Bahn durch die ganze Stadt. Eine Station vor dem Ende geht es
mit der Magnetschwebebahn weiter. Shanghais Prestigeprojekt, der Zug der 423
KM/H schwebt. 30 KM - 7 Minuten. 3 Min. beschleunigen, 1 Minute Highspeed,
3 Minuten bremsen. Ab 300 KM wird das ganze aber recht laut und holperig,
haben die Chinesen gepfuscht? Am Flughafen werde ich mit einigen Umstaenden
in den Zollbereich gefuehrt um mein Gepaeck zu identifizieren. Etwa 40 Koffer
stehen in einer Ecke und der Aluminium Kindersarg mit meinem Computer ist
leicht ausgemacht. Aber wo ist mein persoenliches Gepaeck? Solly Mistl, only
one piece found. You have 2 piece? Scheiße Ja, ich hatte 2 Koffer, immerhin
habe ich den Rechner fuer die Demos und die Messe. Mit dem Koffer mache ich
die Reise rueckwarts bis ins Buero, melde mich dort fuer den Nachmittag ab,
da ich etwas zum anziehen brauche, fuer meinen Termin in HongKong und fuer
die Weiterreise zur Messe in DongGuan. Thomas empfiehlt mir zwei Kaufhaeuser
in denen ich hunderte von Anzuegen finde und fast alle anprobiere, da keiner
passt. Nach gut 2 Stunden Suche bin ich bereit einiges an Geld fuer einen
Anzug auszugeben, aber passen sollte er schon. Oh, sleeve to short, Si(l)r,
no ploblem, try this suit, und ich bekomme einen Anzug der viel zu weit ist,
aber die Armlaenge stimmt jetzt. Bei den Hemden das gleiche, nichts passt.
Irgendwann gebe ich auf und vertraue darauf, dass ich am naechsten Tag, in
HongKong, ein besseres Warenangebot finde. Da ich aber wieder Waesche und
Socken brauche, gehe ich auf den Fake-Markt um mich zum zweiten Mal einzudecken.
Socken und Waesche waschen zu lassen kostet im Hotel mehr wie neu kaufen.
Binnen weniger Minuten habe ich meine gefaelschten Boss-Socken und CK-Waesche
gekauft und finde sogar noch eine sehr schicke Boss-Krawatte fuer 4 Euro.
Da ich noch etwas Zeit habe schaue ich mich noch ein wenig um, immer auf der
Flucht vor den Verkaufern von Handtaschen, PornoCDs und (R)Lolex-Uhren. Schließlich
passiert das Wunder von Shanghai. Direkt vor mir haengt er, der gefaelschte
Armani-Anzug. Anthrazit, schlank geschnitten, langer Arm. Ich tue wenig interessiert
als die Haendlerin ihn vom Harken nimmt, aeussere mich abfaellig ueber das
Material und streife ihn ueber. Er passt wie angegossen, super Schnitt, gute
Farbe. Sie will 110,- Euro und ich reiche ihn mit abwehrender Handbewegung
zurueck. Sie geht sofort auf 70,- Euro runter und ich wiegele ab. Ich erklaere
ihr dass der Preis keine Rolle spielt, ich aber keinen Anzug brauche. Sie
geht auf 60,- Euro, ich sage Thank You und wende mich zum gehen. Jetzt will
sie meinen Preis wissen und ich sage, das ich keinen Preis fuer den Anzug
habe, da ich ihn nicht brauche, vielleicht 30,- Euro fuege ich noch an. Sie
ist entsetzt, wenigstens 50,- Euro sagt sie. Ich habe nicht einmal ein Hemd
erklaere ich ihr, was auch war ist, und sofort bietet sie den Anzug mit Hemd
fuer 50,- Euro an. Ich suche mir ein Hemd aus und biete jetzt 40,- Euro fuer
alles. Wir einigen uns auf 45,- Euro, aber wie ich bezahlen will, sehe ich
das ich nur noch 400,-RMB = 40,- Euro habe, worauf sie sich zu guter letzt
noch einlaesst. So bekomme ich ein MoerderOutfit fuer kleines Geld und wie
ich spaeter merke, passt selbst die Hose perfekt. Jetzt muss ich mich aber
sputen, da ich bereits seit einer halben Stunde mit Thomas, Karin und unserem
Chef zum Essen verabredet bin. Sorry, aber der Anzug war wichtiger. Es gibt
AmericanDinner vom Feinsten, mit Tenderloin Steak und Lobster, sehr lecker
und ein netter Abend. Am Donnerstag starte ich um 6:30 Uhr im Hotel, Richtung
HongKong. Leider bin ich zu frueh dran fuer die Magnetschwebebahn, die erst
ab 8:20 Uhr faehrt, aber mit dem Taxi schaffe ich es auch noch rechtzeitig.
Ich lasse mein Carnet fuer die Ausfuhr meines Computers am Zoll stempeln und
erreiche meinen Flieger. Gegen 13:00 Uhr bin ich in HongKong, fahre ins Hotel,
Topform hat mir die Hammersuite mit Business-Upgrade, 2-Zimmer mit Bad gebucht.
Edel. um 15:00 Uhr verlasse ich das Hotel Richtung City, da ich hier unbedingt
eine Digicam kaufen moechte. Ich finde eine Ecke mit vielen Fotogeschaeften
und kaufe mir schließlich beim guenstigsten Anbieter eine nette Kamera,
Fuji F810. Danach gehe ich ueber den HongKong-Fake-Markt, da ich jetzt meinen
Anzug, meine Socken und die Waesche in meinem Computerkoffer transportiere
und das bei der Demo am naechsten Tag komisch Aussehen koennte, wenn ich erst
die Unterhosen aus der Box lade und dann den Computer neben der Tuete mit
der Schmutzwaesche herausziehe. Also kaufe ich fuer 23,- Euro einen Rollkoffer,
Hartschale, chinesischer Bauart. Stocke mein Portfolio an Socken, Waesche
und T-Shirts weiter auf und finde auch noch 5 Boss Hemden zu 22,50 gesamt.
Irgendwo kaufe ich mir noch fuer 8,- Euro eine einfache Jacke und fuer 6,-
Euro eine Ecko ltd. Military-Hose. Damit ist der Koffer fasst voll. Ich habe
noch eine Stunde bis mich der Kunde zum Essen abholen will und beschließe
noch einen MP3 Player zu kaufen, da meiner den Geist aufgegeben hat. Schnell
ins Hotel, duschen, die neuen Klamotten anziehen und in die Lobby. Kenneth
wartet bereits. Ein schicker LuxusVan faehrt vor und drinnen der Chauffeur
und 3 bildschoene Maedels. Was gibt das fuer einen Termin, schießt es
mir durch den Kopf, da man in China die wildesten Geschichten ueber Geschaeftsessen
und anschließende Besuche von Karaoke-Bars hoert. Ich hatte das bisher
weitgehend fuer Geschwaetz, beziehungsweise fuer Events gehalten bei denen
man sich ausklinken konnte. Das sah jetzt anders aus. Ich glaube Kenneth hat
mir mein erstaunen angesehen und die Girls sogleich als 3 Mitarbeiterin aus
dem Bereich CAD und Produktionsvorbereitung vorgestellt. Erleichtert ging
es dann los ins Restaurant des Shangri-La, mit Blick auf die naechtliche Skyline
von HongKong. Super Essen, guten chinesischen Wein und gute Unterhaltung mit
Kenneth, der, wie ich erst spaeter Erfuhr, der Sohn des Inhabers ist. Boersennotiertes
Unternehmen, 60 Mio. BHs pro Jahr (das sind 120 Mio. Brueste), fuer die bekanntesten
Marken der Welt. Malizia, LaPerla, MarieJo, Valissere, und einige andere.
5% Weltmarktanteil, 12% Anteil am chinesischen Markt. Danach waren wir noch
auf einen Cocktail in einer Bar, ein gelungene
r Abend.
So ich schicke den Bericht jetzt erst mal ab, die naechsten Tage geht es weiter.
L.H. Preußer
Shanghai,
17.03.2005 15:17
Wer Reschtschreipfeler findet darf sie behalten.
Hier noch die fehlenden Kommas,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,